Serialität - oder: Auf der Suche nach Ordnung
Während wir – und damit spreche ich nicht nur uns Web-Designer an, sondern das gesamte Web-Business – in den Anfängen unserer Zunft versucht haben Flyer, Plakate und Broschüren der altbekannten Print-Welt nachzubauen, sind wir heute in der glücklichen Lage, dass der Unterschied zwischen Print und Online nicht mehr vor jedem Projekt diskutiert werden muss. So ist auch web-fremden Kunden bewusst, dass sie keine Broschüre, kein Buch, keine Visitenkarte und keinen Briefkopf bestellen, sondern eine interaktive, adaptive und lebendige Website.
Nun ist Multitasking eng mit der digitalen Welt verknüpft. Eine gewisse Simultanität wird nicht erwartet, sondern vorausgesetzt: Gleichzeitig mehrere Zielgruppen bedienen, gleichzeitig unterschiedliche Zwecke erfüllen - wir sind schließlich dynamisch und flexibel. Der Knackpunkt ist jedoch, dass zu viel Information schnell zur Überforderung führt. Dabei rückt das Thema Serialität verstärkt in den Fokus. Die Kunst ist es nun, sich auf nur eine Sache zu konzentrieren. Und damit: Immer schön der Reihe nach!
Status quo - eine Illusion
Der unbedingte Fokus auf das Internet, ohne ein anderes Medium im Schlepptau zu haben, das war vor ein paar Jahren noch meine Idealvorstellung. Im Paradies angekommen, könnte ich mich voll und ganz auf die wahren Herausforderungen des fortgeschrittenen Web-Designs konzentrieren, so meine Idee (siehe die Diskussion zu Flat-Design).
Nun sind wir an diesem magischen Punkt angelangt und ich muss sagen, die Realität sieht zwar ganz anders aus, aber sehr viel besser. Ob gekoppelt oder losgelöst von klassischen Medien, es gibt keinen Stillstand, kein Anfang, kein Ende - und damit keinen Status quo. Denn lassen wir die Technologie beiseite, so sitzt hinter jedem Bildschirm immer noch ein Mensch, und dieser entwickelt sich weiter. Offenkundig befinden wir uns damit in einer ständigen Optimierungsphase. Und genau das macht das heutige Web-Design so herausfordernd und spannend.
Darum sind wir hier
Ohne den Ballast der krampfhaften Abgrenzung können wir den Vergleich mit anderen Medien zulassen und uns die Frage stellen, was diese besser machen. Die entscheidenden Faktoren bieten häufig einen immensen Wettbewerbsvorteil - insofern diese bestmöglich für den Online-Bereich adaptiert wurden.
Vom Magazin zum Betriebssystem
Obwohl ich persönlich immer häufiger zur Online-Version eines Magazins greife, lese ich die langen und ausführlichen Artikel bevorzugt in der analogen Variante. Der Grund dafür ist nicht das beleuchtete Display oder die Haptik des Papiers, sondern die nicht vorhandene Ablenkung. Wenn wir ein Buch oder ein Magazin zur Hand nehmen, lehnen wir uns zurück. Wir schaffen Abstand zu den restlichen Dingen in unserem direkten Umfeld, nehmen uns bewusst Zeit und lassen uns auf die Story ein.
Die Reduktion auf genau eine Sache, auf einen einzelnen Task, eine Geschichte ist unter anderem mitverantwortlich für den großen Erfolg von iOS gegenüber herkömmlichen Betriebssystemen. Jede neue Handlung geht stets vom selben Status aus. Das macht die Bedienung unglaublich einfach. Und lässt selbst einen Vergleich von Print-Magazinen und Betriebssystemen zu - ungewohnt, aber hilfreich.
Was wir von den klassischen Medien lernen
Bei der Entwicklung einer Website wird häufig verlangt, jeden Aspekt, jede Verknüpfung und jedes Thema bereits auf der Startseite abzubilden. Alle Bedürfnisse sollen gestillt und jedes Produkt erwähnt werden. Nur nichts vergessen lautet scheinbar die Devise. Damit geben wir aber auch allen Inhalten die gleiche Gewichtung. Das Ergebnis sind störende Elemente und unnötige Hinweise auf Naheliegendes. Der Benutzer ist überfordert und mit dem nächsten Klick beim Konkurrenten. Wollen wir das wirklich?
Bereits die klassischen Medien zeigen, wie man es besser macht. Nehmen Sie sich zum Beispiel ein Magazin zur Hand. Auf dem Titelblatt sind selten mehr als vier Themen zu finden - von denen nur eines mit Bild beworben wird! Für die Vollständigkeit gibt es Inhaltsangaben. Interessant bleiben diese Magazine dadurch, dass sich die Frontansicht mit jeder neuen Ausgabe ändert.
Mein Fazit
Die große Stärke unseres digitalen Mediums ist die Flexibilität. Anpassen, ändern, optimieren - alles ist möglich. Adaptieren wir die Vorzüge der klassischen Medien für den Online-Bereich, schaffen wir mit besagtem Beispiel (Print) einen Fokus und überlassen unseren Nutzern die Möglichkeit, sich selbst ein Thema auszusuchen. Natürlich müssen wir bewerben, natürlich müssen wir verkaufen, aber eines nach dem anderen - und bitte zielgerichtet!