Ich kann in die Zukunft sehen!
Sprechen wir über die Zukunft. Und zwar aus der Sicht der Digital-Agentur. Allerdings nicht in Form einer SEO-freundlichen „10 Trends für 2017“-Liste. Denn eigentlich gibt es nur ein Thema, das mich heuer wirklich interessiert und das lautet: Digital first.
Wie die Zeit vergeht
Sie kennen das vielleicht: Sobald man Kinder hat, ist das Gefühl, dass die Zeit unglaublich schnell vergeht, ein ständiger Begleiter. Das erste Lächeln, der erste Zahn und der erste Geburtstag fühlen sich in etwa so an wie eine Runde hinter dem Steuer eines Formel 1 Boliden.
Ähnlich geht es mir, wenn ich daran denke, dass 2017 schon wieder zwei Monate alt ist. Dabei wollte ich doch noch ein paar Zeilen zum Thema „Ausblick“ schreiben – bevor aus dem Aus- ein Rückblick wird.
Aber genug von meinem momentan etwas verschrobenen Verhältnis zum Raum-Zeit-Kontinuum. Die Zukunft ist das, was uns alle interessiert. Und für mich konkret, ist es: Digital first.
Lassen Sie mich das kurz erklären.
Das Internet ist kein Teenager mehr
Unsere Agentur wird heuer zwanzig Jahre alt. Gestartet haben wir als ein Haufen unorganisierter Studenten mit viel Enthusiasmus und wenig Know-how. Das war damals auch nicht nötig. Denn, wer hätte uns in den Pioniertagen des Internets schon hinein reden können? Die digitale Kommunikation war in etwa so wichtig, wie das aktuelle Mausi von Richard Lugner.
Wir wurden oft von klassischen Agenturen angeheuert, um sozusagen die schmutzige Internet-Wäsche zu waschen. Denn das konnte man ruhig den jungen Wilden überlassen. All zu viel passieren konnte ja nicht, bei den geringen Zugriffszahlen.
Da hatte man als Dienstleister schon öfters das Gefühl, das fünfte Rad am Wagen bzw. im Projekt zu sein. Und zu nahe an den Kunden durfte man ja eh nicht ran. Der „gehörte“ nämlich der Lead-Agentur. Die war „klassisch“ und machte die integrierte 360°-Kommunikationsstrategie (bei der Bezeichnung wird mir heute noch übel).
Aber irgendwie war schon damals allen klar, dass sich das einmal ändern wird: Digital wird eine Führungsrolle übernehmen und der Kunde wechselt seinen Blickwinkel grundlegend. Aber, wie gesagt, erst in unbestimmter Zeit.
Und heute? Genau, willkommen in der Zukunft!
Die neuen Prioritäten
Seit einigen Jahren sehen wir den Trend, dass unsere Kunden immer seltener klassische Agenturen an den Tisch holen, wenn es um die digitale Strategie geht. In solchen Situationen betonen wir in der Beratung stets, dass für eine erfolgreiche Projektumsetzung die Betrachtung des gesamten Marketingmix notwendig ist. Und natürlich wollen wir auch, dass unsere digitale Arbeit in den analogen Raum wirkt. Das muss sie auch. Denn der Kunde unterscheidet nicht mehr zwischen der Online- und der Offline-Welt: Ein Unternehmen (Produkt und Dienstleistung), eine Marke, eine Erfahrung.
Dennoch kann die Zusammenarbeit klassischer und digitaler Agenturen durchaus fruchtbar sein. So haben wir zum Beispiel mit unseren klassischen Kollegen bereits viele tolle und vor allem erfolgreiche Projekte im engen Schulterschluss entwickelt.
Nun zeichnet sich ein erster Klimax der angekündigten Entwicklung ab: Immer mehr Unternehmen denken zuerst digital und lassen dann analoge Maßnahmen daraus ableiten.
Für unsere Kunden war dieser Prozess eher schleichend und organisch – aber auch eine natürliche Progression in die wirtschaftlich einzig logische Richtung. Für uns als Dienstleister bedeutet der Shift jedoch ein teilweise radikales Umdenken in unserer Arbeitsweise.
Ein kleines, aber bezeichnendes Beispiel: Früher war es Usus, dass wir das Bildmaterial für einen Internetauftritt vom Kunden oder der klassischen Agentur bekommen haben. Heute ist es selbstverständlich, für ein Projekt ein umfassendes Bildkonzept zu erarbeiten und die Art-Direktion zu übernehmen – in direkter Zusammenarbeit mit Fotografen oder Filmproduzenten. Natürlich müssen wir uns dabei auch überlegen, wie solche Medien analog verarbeitet werden können.
Und die Zukunft nach der Zukunft?
Heißt das jetzt, dass wir als Digital-Agentur auch auf klassisch machen müssen? Eher nein. Denn in den letzten zwanzig Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass die Spezialisierung auf einen bestimmten Kanal – digital oder analog, – die besten Ergebnisse erzielt.
Dennoch, der Trend zu „Digital first“ stellt uns vor große Herausforderungen. Unser Denken muss ganzheitlicher werden und wir müssen lernen, die Sprache der analogen Medien besser zu sprechen. Klassische Agenturen sollten endlich die Scheuklappen vor der Digitalisierung ablegen und offen deren Bedeutung anerkennen. Ansonsten werden sie in der Nische verschwinden. Es gilt zusammen zu arbeiten und je nach Kunde und Projekt den Lead wie im Staffellauf an der richtigen Stelle zu übergeben.