Von Roboterworkshops und Mädchen, die Bagger mögen
Im Rahmen des Projekts "I kann's! I trau mer's zu!" veranstaltet der Verein Amazone Technik-Workshops für Mädchen. In den Kursen programmieren und bauen Mädchen eigenständig Roboterdamen, sogenannte "Robertas".
Unsere Mitarbeiterin Cornelia leitet diese Workshops. Wir haben mit ihr über ihr Herzensprojekt gesprochen.
Warum kam der Verein Amazone auf dich zu?
CZ: Ich habe eine pädagogische Ausbildung und arbeite seit Jahren im IT-Bereich. Daher hat der Verein Amazone mich als Leiterin des Workshops angefragt. Die Kurse leite ich gemeinsam mit zwei Mädchen, die jeweils eine technische Lehre absolvieren.
Dem Verein ist es wichtig, dass wir als Vorbilder für die Teilnehmerinnen fungieren. In einem Presse-Artikel wird dieses Thema gut aufgegriffen. Dort heißt es, dass Role Models für junge Frauen erreichbar sein sollen. Superfrauen in Wissenschaft und Technik schrecken eher ab. Daher braucht es Frauen „wie du und ich“, die zeigen, dass die Lebensentwürfe von jungen Frauen mit technischen Berufen vereinbar sind.
Was war dein Beweggrund, die Leitung der Workshops zu übernehmen?
CZ: „Du kannst doch einem Mädchen keinen Bagger schenken." Das war die Reaktion auf ein Geburtstagsgeschenk für mein Patenkind. Und das hat mich zum Nachdenken gebracht. Für mich ist es beinahe ein Muss, Mädchen für Technik zu begeistern. In den Workshops kann ich zeigen, dass Technik Spaß macht und es eine große Auswahl an Berufsmöglichkeiten abseits der typischen Mädchenberufe gibt.
Ich selber war als Kind nie an Puppen interessiert, sondern immer schon an Fußball, Schnitzen und Technik. Zu meinem Glück durfte ich meine Interessen ausleben. Leider stehen immer noch nicht jedem Mädchen alle Wege offen. Doch nebenbei erwähnt: Meine Nichte hat sich inzwischen für einen technischen Lehrberuf entschieden.
Wie läuft ein Roberta-Workshop ab?
CZ: Die Workshops finden entweder im Rahmen der Techniktage für Mädchen im Arbeitsmarktservice oder in einem der "I kann's! I trau mer's zu!"-Betrieben statt. Finden die Workshops direkt in den Unternehmen statt, erhalten die Mädchen meistens einführend eine Betriebsbesichtigung.
Und dann geht’s los: Es gilt, in Teams eine „Roberta“ (ein weiblicher Roboter) zu bauen. Natürlich immer unter Anleitung und mit Unterstützung von mir und den Lehrmädchen. Die Schülerinnen arbeiten mit Legotech Mindstorms – ein Lego-Bausystem, mit dem Roboter konstruiert und gesteuert werden können (Abbildung 1). Gemeinsam erarbeiten wir folgende Schritte:
- Die Stoßfänger mit seinen Berührungssenoren und der "Kopf" mit den Ultraschallsensor werden zusammengebaut (Abbildung 2).
- Das gesamte Konstrukt wird dann am "Körper" angebracht.
- Die zwei Lehrmädchen erklären anhand einer kleinen Geschichte, wie die ersten Schritte beim Programmieren gelingen. Dabei bleibt das Ganze vorerst auf die Bewegung beschränkt.
- Zum Schluss werden in Teilschritten die Programmierung der Berührungssensoren erklärt. Hier erkläre ich die zwei wichtigen Prinzipien des Programmierens: die Abfrage und eine Schleife. Diese zwei Schaltflächen werden gemeinsam erarbeitet. Nachdem der erste Sensor funktioniert und die "Roberta" bei Berührungen zurückweicht, wird der zweite Sensor selbständig programmiert.
- Manche Gruppen schaffen in Eigenregie auch die Adaption auf den Ultraschallsensor.
Was ist prägnant für die Arbeit mit Mädchen, die sich zum ersten Mal mit Technik beschäftigen?
CZ: Die Mädchen schaffen das Zusammenbauen meist sehr selbstständig. Sie müssen aber oft erst lernen, dass die technische Arbeit ein Prozess ist und es in Ordnung ist, Fehler zu machen. Schließlich lässt sich fast alles korrigieren. Und spätestens wenn die ersten Gruppen ihre "Roberta" erfolgreich programmiert haben und diese durch die Gegend fahren, sind die Mädchen begeistert.
Die Teilnehmerinnen erhalten am Ende unserer Workshops die Aufgabe, ihre "Roberta" mit Federn und Pfeiffenputzer zu schmücken und ihr einen Namen zu geben (Abbildung 3). Für Mädchen ist es wichtig, dass die "Roberta" eine Persönlichkeit erhält. Mit ihren Handys fotografieren sie ihre kreativ geschmückten Roboterfrauen.
Wie lässt sich die Arbeit für Amazone mit deinem Fulltime-Job bei MASSIVE ART vereinen?
CZ: Ich leite die Workshops seit Herbst 2015. Der Aufwand für die Workshops ließ sich bald kaum mehr in meiner Freizeit bewältigen. Nach einem Gespräch war MASSIVE ART bereit, meine Arbeit bei Amazone zu unterstützen. Ich kann die Workshops nun in meiner Arbeitszeit abhalten. MASSIVE ART wünscht sich nämlich ebenfalls mehr weibliche Entwicklerinnen. Im Moment ist unter unseren etwa zwanzig Programmierern leider nur eine Frau zu finden.
Verändert sich das Bewusstsein der Mädchen für Technik?
CZ: Wir zeigen im Workshop ein Video über Service-Roboter im Altersheim und Beispiele für Roboter und Sensoren im Alltag. Die Schülerinnen realisieren dann, wie viele Einsatzgebiete es für Sensoren gibt – etwa im Handy oder bei automatischen Türen. Ob wir das Interesse geweckt und Vorurteile abgebaut haben, erfahren wir am Ende durch einen Fragebogen.
Nach einem Abschiedscocktail an der AmazoneBar entlassen wir die Mädchen mit einer kleinen "Mini-Roberta" aus Lego und hoffen, ihre Sicht auf die Technikbranche positiv beeinflusst zu haben.
Was erhoffst du dir in Zukunft für dich und "deine Mädchen"?
CZ: Für mich ist die Arbeit beim Verein Amazone sehr bereichernd, auch wenn die Gruppenarbeiten oft anstrengend sind und es in jedem Workshop klare Regeln braucht. Wenn ein paar Schülerinnen aus jedem Workshop sich zum Schnuppern in einem technischen Beruf anmelden, ist ein wichtiger Schritt geschafft. Dann bekomme ich in Zukunft vielleicht auch die ein oder andere technikversierte Arbeitskollegin ;-).